Geschichte der Menstruation

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Die antike Auffassung von der Menstruation ist in der Vier Säfte-Lehre begründet. Der weibliche Körper war als kälter und feuchter als der männliche gedacht. Phythagoras (6. Jh. v. Chr.) etwa sah den Sinn der Monatsblutung darin, den Überschuss an ungekochten Nahrungssäften auszugleichen, der durch den Mangel an Wärme im Körper der Frau entstünde (Ausserer 2003, 20 ff.). Als Grund des Überflusses machte Galen (2. Jh. v.Chr.) das untätige Leben des weiblichen Geschlechts verantwortlich. Hippokrates (460-377 v. Chr.) ging davon aus, dass die Frauen von Natur aus krank seien. Die Menstruation, eine Art natürlichen Aderlasses, bewahre sie vor den Folgen ihrer Krankhaftigkeit. Die griechischen Philosophen betrachteten die Frau grundsätzlich als Mangelwesen. Nach der Definition von Aristoteles (384-322 v.Chr.) war sie ein zeugungsunfähiger Mann, der nicht über das Stadium der Menstruation hinausgekommen und nicht fähig sei, Samen zu produzieren. Der Philosoph Plinius (23-79 n. Chr.) begründete die Theorie von der Giftigkeit des Monatsblutes.

Im Mittelalter war die Einstellung zur Menstruation vom Glauben an ihre Giftigkeit beherrscht. Von Menstruierenden wurde behauptet, dass sie Milch zum Gerinnen und Blumen zum Verdorren bringen oder die Wundheilung gefährden könnten (Fischer-Homberger 1979, 54). Die christliche Auffassung von der Sexualität als „Erbschuld” bildete die Grundlage für die Verdammung der weiblichen Körperlichkeit. Die Menstruation wurde als unrein und gefährlich angesehen, Sexualität zur Sünde erklärt. Während die katholische Kirche die Jungfrau Maria, die ohne Geschlechtsverkehr ein Kind empfing, zum Ideal für die Frau schlechthin erhob, wurde die Verführerin Eva für das Böse verantwortlich gemacht (Schlehe 1987,17). Die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098-1179) sah in der Menstruation eine Strafe für die Verfehlung Evas. Die „weiblichen Gefäße” wären ihrer Meinung nach alle unversehrt und geschlossen geblieben, wenn Eva Adam nicht verführt hätte (Fischer-Homberger 1979, 54).

Die Tatsache, dass Frauen menstruieren, diente als Grund, sie vom kirchlichen, sozialen und wirtschaftlichen Leben fernzuhalten. Entsprechende Vorschriften finden sich schon im 3. Buch Mose im alten Testament (Reuße/Holler 1988, 17). Es war Frauen untersagt, während der Menstruation die Kirche zu betreten. Öffentliche Macht, eigenständige Berufe und das Betreiben von Geschäften, insbesondere das Praktizieren der Heilkunde, wurde ihnen aufgrund ihrer körperlichen Vorgänge zunehmend untersagt. Unzählige Frauen wurden der Hexerei bezichtigt, verfolgt, gefoltert und getötet. Menstruierenden schrieb man ähnlich wie den Hexen, Unberechenbarkeit und Bedrohlichkeit, aber auch magische Fähigkeiten zu. So hieß es beispielsweise, dass sie Wetter machen, Ernten vernichten, Männer krank machen und sich selber vor Krankheit schützen könnten. Mit der Hexenverbrennung gelang es, das weibliche Wissen großteils zu zerstören. Die Macht der Frauen über Leben und Tod ging zunehmend in Männerhände über.

Der Glaube an die Giftigkeit hielt sich auch in der Neuzeit. Paracelsus vertrat die Lehre, dass es kein Gift in der Welt gäbe, das schädlicher sei als das „menstruum“. Es wurde unter anderem für die Verursachung von Krankheiten, wie Syphilis, Lepra oder die Pest verantwortlich gemacht. Andererseits schrieb man dem Menstruationsblut aber auch magische Kraft zu, weshalb es als Liebes-Zaubertrank Verwendung fand. In Speise oder Trank gemischt, sollte es dazu verhelfen, den Geliebten gefügig zu machen (Ausserer 2003, 29 f.). Über Funktionsweise und Zweck der Menstruation sowie über die genaue Herkunft des Blutes herrschte nach wie vor weitgehende Unkenntnis.

Zur Zeit der Romantik kam die Auffassung auf, dass die Menstruation ein Zivilisationsschaden sei. Ein bekannter Vertreter dieser Theorie war Jean Jacques Rosseau (1712-1787). 1827 entdeckte Carl Ernst von Bahr schließlich die weibliche Eizelle. In der Folge kam es zu einem Aufschwung der Gynäkologie. Jetzt erst wurde der Zusammenhang zwischen Eisprung und Menstruation erkannt.

Noch im 19. Jh. vertraten Ärzte die Meinung, dass die Monatsblutung ein pathologischer Vorgang sei, der dadurch zustande komme, dass die normalen geschlechtlichen Bedürfnisse nicht befriedigt würden, wodurch es zu einem widernatürlichen Produktionsausfall komme. Die Theorie vom „periodischen Irresein der Frau“ diente dazu, die Auffassung von der Inferiorität des weiblichen Geschlechts zu untermauern. (Honegger 1983, 206f.). Der Nervenarzt Richard von Kraft-Ebbing schrieb der Menstruierenden darüber hinaus „große Gemeingefährlichkeit“ zu (Ausserer 2003, 40). 1920 entdeckte der Wiener Professor Béla Schick den Giftstoff „Menotoxin“ (ebd., 46).

Schick beobachtete, dass Blumen, von einer menstruierenden Frau gehalten, verwelkten, der Hefeteig nicht aufgehe u.a. Auch das Unwohlsein der Frauen schrieb er der Wirkung des Giftes zu. Die wissenschaftliche Debatte über die Existenz des Giftstoffes Menotoxin wurde erst 1958 beigelegt (Hering/Maierhofer 1991, 115). Die in den 20er Jahren entdeckten Hormone dienen seither dazu, die Unzuverlässigkeit des weiblichen Geschlechts insbesondere im Arbeitszusammenhang zu begründen. Durch den Einfluss der Psychoanalyse gelangten nun auch die psychischen Faktoren, welche die Menstruation beeinflussen, ins Blickfeld.

Als Reaktion auf die feministischen Bewegungen und den Einstieg von Frauen ins öffentliche (Berufs)leben Anfang des 20. Jh. proklamierte die Frauenheilkunde die Schonungsbedürftigkeit der Frau während der Menstruation (Hering 1991, 56 ff). Studentinnen wurde nachgesagt, dass ihre intellektuellen Fähigkeiten während der Menstruation litten. Ärzte rieten davon ab, Binden zu verwenden, da sie angeblich den natürlichen Blutfluss stoppen. Damit wurden menstruierende Frauen auf das Haus verwiesen. Mit diesen Strategien versuchten sich die Männer offenbar vor der aufkommenden Konkurrenz durch Frauen zu bewahren.

Die Nationalsozialisten betrieben Zyklusforschung unter dem Blickwinkel der Sterilitätsberatung. Obwohl alles Erdenkliche getan wurde, um die Geburtenrate zu steigern und „reinrassige” Kinder zur Welt zu bekommen, blieb der weitreichende Erfolg aus, da aufgrund der Lebensbedingungen während der Kriegszeit (Lagerleben, harte Arbeit, Angst etc.) die Blutung bei sehr vielen Frauen aussetzte (Kasernierungsamenorrhoe).

Ab Ende der 60er Jahre begannen Feministinnen nach Zeugnissen weiblicher Menstruationsrituale zu suchen und der männlichen Beschreibung und Deutung eigene entgegenzusetzen. Die Beschäftigung mit matriarchaler Kultur und Mystik brachte eine weibliche Symbolik zutage und lieferte das Fundament für neue Blickweisen und Bewertungen. Hexen und Heilkunst erschienen in neuem Licht. In dieser Zeit wurden die ersten Frauenzentren gegründet, die es sich zum Ziel machten, Frauen einen selbstbestimmten Umgang  mit ihrem Körper zu vermitteln. Von hier aus entwickelte sich die Frauengesundheitsbewegung, die sich seither darum bemüht, Menstruation in einem ganzheitlichen und positiven Zusammenhang zu sehen.

Trotz der Bemühungen, das Wissen der Frauen um ihren eigenen Körper zu vergrößern und die Menstruation als Teil des zyklischen Lebens ganzheitlich zu deuten dominiert weiterhin der männlich-wissenschaftliche, biologisch orientierte Blick auf die Frau. Menstruation wird v.a. dann zum Thema, wenn sie Beschwerden macht oder ausbleibt. Vorgegebene Normen über Dauer und Ausmaß der Blutung und die Pathologisierung des Befindens der Frauen vor und während der Regel stärken das „Kranke”. Noch immer herrscht die Meinung vor, das Unwohlsein während der Regel sei natürlich und Frausein bedeute eben Leiden. Die moderne Industriegesellschaft verlangt von Frauen jeden Tag gleich funktionsfähig zu sein und sich den männlichen Strukturen anzupassen. Sie sollen so tun, als hätten sie gar keinen Zyklus und keine Blutung.

Zusammenfassend kann gesagt werden: In der Antike galt die Menstruation als Zeichen eines Überflusses, der ausgeschieden werden muss. Im Mittelalter und der Renaissance stand die monatliche Blutung für die Bosheit und Giftigkeit der Frau. Im 18. und frühen 19. Jh. galt sie als zivilisatorische Fehlentwicklung und im späten 19. Jh. wurde sie als Zeichen von Krankheit interpretiert. Heute gilt die Menstruation medizinisch betrachtet als hormonelles Geschehen, die auf diesem Weg auch ausgeschaltet werden kann oder soll. Von der Frauengesundheitsbewegung wird sie als wesentlicher Teil des Frauseins im ganzheitlichen Sinne gesehen.

 

Literatur

Ausserer, Caroline (2003): Menstruation und weibliche Initiationsriten, Frankfurt/Main

Fischer-Homberger, Esther (1979): Krankheit Frau und andere Arbeiten zur Medizingeschichte der Frau. Bern-Stuttgart-Wien

Hering, Sabine, Maierhof, Gudrun (1991): Die unpäßliche Frau. Sozialgeschichte der Menstruation und Hygiene 1860 – 1985, Pfaffenweiler

Honegger, Claudia (1983): Überlegungen zur Medikalisierung des weiblichen Körpers, in: Imhof, Arthur (Hg.): Leib und Leben in der Geschichte der Neuzeit. Berlin

Reuße, Claudia/Holler, Martina (1988): Menstruation, Hamburg

Schlehe, Judith (1987): Das Blut der fremden Frauen, Frankfurt

 

 

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