Die Menstruation im Kulturvergleich

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Die Ethnologie befasst sich mit Menstruation vor allem im Zusammenhang mit dem Phänomen des Tabus. Menstruierende Frauen werden in den verschiedensten Kulturen gesellschaftlich und sexuell tabuisiert. Das Wort „Tabu“ stammt ursprünglich aus dem Polynesischen und bezeichnet etwas, das eine besondere Kraft, nämlich „Mana“ in sich trägt und daher heilig oder unberührbar ist. Eine Person gilt dann als Tabu, wenn sie von dieser Kraft erfüllt oder ihr völlig unterworfen ist. Im ersten Fall wird sie als heilig, im zweiten als unrein und gefährlich angesehen (Voss 1988, 143). 

Von den meisten Gesellschaften sind Gebote, Riten und Praktiken rund um die weibliche Blutung bekannt, die den Umgang mit diesem besonderen Status regeln. Sie dienen dazu, die Kräfte, die der Menstruation zugeschrieben werden, zu kontrollieren. Diese Verhaltensregelungen sind stark religiös gefärbt. Sie finden sich in abgewandelter Form in allen bekannten Religionen wieder. Die Verbote betreffen vor allem den Geschlechtsverkehr während der Regel, aber auch das Essen bestimmter Speisen, das Berühren heiliger Objekte, das Betreten heiliger Orte, das Herstellen von Nahrung oder empfindlichen Gütern u.a. Die Frauen verbringen diese Zeit meist in Absonderung an bestimmten Plätzen, die nur Menstruierenden vorbehalten sind. So sind auch heute noch in vielen traditionellen Gesellschaften in Afrika, Amerika und Asien sogenannte Menstruationshütten bzw. Zelte  verbreitet. 

Auch für die Angehörigen existieren meist strenge Regeln für das Verhalten gegenüber Menstruierenden. So heißt es z.B., dass Männer ihre Frauen nicht berühren oder ihnen nicht in die Augen schauen dürfen, weil „der böse Blick“ gefährlich für sie sein könnte. Der Koran sagt zum Beispiel: „Diese Zeit bringt Euch Schaden; darum haltet Euch während ihrer monatlichen Reinigung von ihnen fern, kommt ihnen nicht nahe, bis sie sich gereinigt haben...“ (Schlehe 1987, 69).

Weisen diese Restriktionen auf der einen Seite darauf hin, dass von der menstruierenden Frau Gefahr und Schrecken ausgeht, finden sich auf der anderen Seite in der älteren ethnologischen Literatur Berichte über die Verwendung des Menstruationsblutes als Heil- und Zaubermittel, insbesondere auch als Liebeszaubermittel. Die kulturübergreifende Tabuisierung der Menstruation lässt insgesamt den Schluss zu, dass diesem Zustand irgendeine Art von Macht zu eigen ist.

Zu beachten ist, unter welchem Blickwinkel sich die ethnologische Forschung dem Gegenstand angenähert hat. Bis vor kurzem waren es v.a. Männer, die fremde Kulturen beforschten und dort wiederum v.a. Männer befragten. Die Berichte über die Riten und deren Bedeutungen entspringen somit einer vorrangig männlichen Sichtweise. Für den Mann geht es um Kontaktvermeidung, weil für ihn Frauen während ihrer Tage unberechenbar sind.

Über die Sicht der Frauen sind wenig Informationen verfügbar. Mitunter halten Frauen diese Regeln aufrecht, weil sie ihnen zugute kommen, etwa weil sie in dieser Zeit von den Alltagspflichten befreit sind und sich ihrer körperlichen und seelischen Regeneration widmen können. In manchen Gesellschaften verbringen Menstruierende die Zeit der Monatsblutung in der Gemeinschaft mit anderen Frauen. Frauen beschreiben eine besondere Sensitivität während ihrer Blutung, die es ermöglicht, sich mit der Natur und dem Göttlichen zu verbinden.  

Menstruationsrituale 

Rituale dienen seit Urzeiten dazu, Menschen insbesondere in Zeiten der Veränderung und in  kritischen Lebensphasen einen Halt zu geben. Bei Naturvölkern spielen Rituale für die Fruchtbarkeit und das gesamte soziale, religiöse und wirtschaftliche Leben eine große Rolle.  Rituale können dabei helfen, die Übergänge zwischen den verschiedenen Lebensphasen (z.B. Geburt, Menarche, Wechsel, Tod) in der Gemeinschaft bewusst zu durchleben.

In manchen Stammesgesellschaften wird die erste Blutung eines Mädchens gefeiert. Meist verbringen die Mädchen einige Zeit in einer bestimmten Hütte, wo sie von einer erfahrenen Frau in die „weiblichen Geheimnisse“ eingeführt werden. Oft ist es üblich, in dieser Zeit zu tanzen, die Mädchen schminken sich oder werden rot bemalt, mit weiblichen Symbolen geschmückt oder sie schneiden ihr Haar ab. So wird die innere Veränderung nach außen sichtbar gemacht. Die Mädchen unterziehen sich körperlichen und spirituellen Reinigungen wie zum Beispiel Bädern. Nach dieser Phase der Einkehr wird zumeist ein Fest gefeiert. Die Mädchen bekommen Geschenke und werden als Frau in den Kreis der anderen Frauen aufgenommen.

Im Gegensatz zu den beschriebenen Bräuchen, werden in manche Gesellschaften im Zusammenhang mit der Menstruation grausame Rituale praktiziert. So werden Frauen während ihrer Blutung mitunter in Käfige oder dunkle Räume eingesperrt, wo sie zur Bewegungslosigkeit verurteilt sind. Bei vielen Völkern Afrikas und manchen Asiens ist noch immer die Genitalverstümmelung von Mädchen üblich. Der Umgang mit Weiblichkeit und Menstruation hängt eng mit der Stellung der Frau in den jeweiligen Kulturen zusammen. Je patriarchaler eine Gesellschaft geprägt ist, desto massiver wird in den Riten die Unterdrückung der Frauen sichtbar.  

Beispiele für Menarche- und Menstruationsrituale  

Japan  
Wenn in Japan ein Mädchen ihre erste Regel hat, wird sie von ihrer Familie beglückwünscht und beschenkt. Ihr zu Ehren wird O-Sekihan, ein besonderes Reisgericht, gekocht. Dieser „Glückwunsch-Reis“ mit Bohnensaft rot gefärbt, kommt nur bei Festtagen auf den Tisch. Die Menstruation war lange Zeit ein heiliges Zeichen, keine Verdammung: Die Frau ist wie das Meer, weich und stark. Aber die Männer fürchten das Meer, ebenso wie sie die Frau fürchten.

Früher glaubten die JapanerInnen, dass jedes Mädchen einmal in ihrem Leben, bei der ersten Blutung, über besondere Heilkräfte verfügt. Man errichtete ihr eine ganz besondere Schilfhütte, wie für eine Gottheit. Dort wachte sie vier Tage und vier Nächte lang. Dieser Zustand, Komoru (sich zurückziehen) genannt, symbolisierte den Tod und die Wiedergeburt der Natur. Am vierten Tage betete das Mädchen die aufsteigende Sonne an, streute Blütenstaub in alle vier Himmelsrichtungen und galt als neu geboren. Die Menschen glaubten, dass sie in diesem Zustand der Ur-Unschuld Wunden heilen und Kranke gesund machen könne. Später verdrängte der aus China kommende Buddhismus diesen Glauben an die Heiligkeit des weiblichen Blutes.

Neuguinea  
Bei den Arapesh wird die Menarche in der Familie gefeiert. Die Brüder bauen für das Mädchen eine Hütte, in der sie dann eine Zeitlang lebt. Ihre Arm- und Fußbänder werden entfernt und sie lässt alle Dinge, die sie sonst immer bei sich trägt weg und beginnt ein neues Leben.  

Türkei
Der Umgang mit der Menstruation ist in der Türkei vor allem vom Islam geregelt. Ähnlich wie im Christentum gibt es dort den Glauben, dass die Menstruation die Strafe für die Verfehlung Evas sei. Menstruierenden Frauen ist es verboten eine Moschee zu betreten, den Koran zu berühren und am Ramadan mitzufasten. Eine Frau darf in dieser Zeit auch nicht am Pilgermarsch in die heilige Stadt Mekka teilnehmen. Bekommt sie ihre Periode während des Marsches, muss sie vor den Toren der heiligen Stadt umkehren. Erst nach ihrer Menopause darf sie die Reise wieder machen.  

Nordamerikanische Indianer
Einen oder zwei Monate nach der ersten Regel lädt die Mutter, die Großmutter, die Patin oder eine Tante Freundinnen und Verwandte nach Hause ein und veranstaltet ein Fest. Bei diesem übergibt die Mutter oder eine Patin dem Mädchen einen Ring mit einem roten Stein.  

Yurok - Indianer in Kalifornien  
Bei den Yurok-IndianerInnen wird die Menstruation als die größte Kraft der Frau angesehen. Ihre ganze Energie verwendet sie während dieser Zeit für konzentrierte Meditation und spirituelle Entwicklung. Danach kehrt sie mit neuen Erkenntnissen und oft auch Entscheidungen, die das gesamte Leben in der Gemeinschaft betreffen, zurück.

 

Literatur:

Ausserer, Caroline (2003): Menstruation und weibliche Initiationsriten, Frankfurt/Main  

Schlehe, Judith (1987): Das Blut der fremden Frauen, Frankfurt  

Voss, Jutta (1988): Das Schwarzmondtabu, Zürich

 

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